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PRESSEMITTEILUNG
NR: 11
ChristInnen müssen sich kräftig in die Welt einmischen, um zur
Heilung der Welt beizutragen
Hannoversche Landesbischöfin Kässmann:
Wir sind als ChristInnen Volk Gottes aus allen Völkern
Winnipeg (Kanada),
23. Juli 2003 -
Die hannoversche Landesbischöfin Dr. Margot
Kässmann hat ChristInnen dazu aufgerufen, sich mit ihrer Hoffnung,
dass die Menschen in Gerechtigkeit und Frieden miteinander leben
können, kräftig in diese Welt einzumischen, um zur Heilung der Welt
beizutragen. Heilsam für die Welt sei nicht eine Globalisierung von
Waren, Konzernen und Märkten, die keinen Respekt vor
unterschiedlichen Kulturen kennen würden. Heilung entstehe durch
eine Globalisierung der Botschaft von der Liebe Gottes, eine
Globalisierung von Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der
Schöpfung, betonte Bischöfin Kässmann heute, 23. Juli, in ihrem
Hauptreferat zum Thema der Zehnten Vollversammlung des Lutherischen
Weltbundes (LWB) „Zur Heilung der Welt“. Die LWB-Vollversammlung mit
rund 820 TeilnehmerInnen findet vom 21. bis 31. Juli im kanadischen
Winnipeg statt, Gastgeberin ist die Evangelisch-Lutherische Kirche
in Kanada (ELKIK).
In der Nachfolge Jesu könnten ChristInnen
Hoffnung für die Welt geben. „Wir hoffen auf den neuen Himmel und
die neue Erde, wir haben Hoffnung über die Welt hinaus“, so Kässmann,
seit 1999 Bischöfin der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche
Hannovers. Kässmann ist die zweite von gegenwärtig drei Bischöfinnen
in Deutschland. „Wir sind als Christinnen und Christen Volk Gottes
aus allen Völkern – das bleibt die biblische Vision!“ Von dieser
Hoffnung her gelte es, darum zu ringen, eine Kontrastgesellschaft
schon „im Hier und Jetzt“ erkennbar werden zu lassen, eine
Gesellschaft, die nicht den Gesetzen des Stärkeren, der Macht und
der Durchsetzungsfähigkeit folge, sondern Solidarität praktiziere,
Gerechtigkeit liebe, Frieden schaffe und die Schöpfung bewahre.
Heilung bedeute auch, als HaushalterInnen in dieser verwundeten Welt
zu handeln, so Kässmann.
Die Bischöfin der mit knapp 3,3 Millionen
Mitgliedern grössten lutherischen Kirche Deutschlands rief die
TeilnehmerInnen der LWB-Vollversammlung auch dazu auf, das Heilen
der Kirche zu ihrem Thema zu machen. Der Ökumenische Kirchentag Ende
Mai dieses Jahres in Berlin (Deutschland) mit mehr als 200.000
TeilnehmerInnen sei ein lebendiges Zeichen dafür gewesen, dass
Enzykliken nicht aufhalten können, was zusammenwachse. Die Kirche
müsse auch mit ihren eigenen Wunden umgehen, wenn sie die Wunden der
Welt thematisiere, forderte Kässmann.
Im Blick auf das Vollversammlungsthema betonte
die Landesbischöfin, dass gerade das Abendmahl den spezifischen
Beitrag der ChristInnen zur Heilung der Welt zeige. Die Gemeinschaft
im Abendmahl sei eine heilende Gemeinschaft und sichtbares Zeichen
der Heilung. Wenn die Kirche zur Heilung der Welt beitragen wolle,
könne sie das Sakrament der Gemeinschaft als zentrales Geschehen
zwischen Gott und Mensch sowie zwischen Menschen einbringen.
„Wenn wir Brot und Wein miteinander teilen, dann
können und sollen aller Zwist, aller Streit, alle Belastungen und
alle Hierarchie in den Hintergrund treten - weil wir neu erfahren,
dass wir zusammen gehören“, erklärte die Landesbischöfin. Beim
Abendmahl kämen alle zusammen, „die Armen und die Reichen, die von
den Hecken und Zäunen, die Zerstrittenen, die Enttäuschten, die
Liebenden, die Kranken, die aus dem Norden und die aus dem Süden“.
Das Abendmahl beinhalte eine menschliche, eine soziale
Herausforderung und sei eine Mahnung zu Frieden und Gerechtigkeit,
so Kässmann. Es rufe in Erinnerung, „dass wir über Grenzen hinweg
zusammengehören als Gottes Volk“ und sei eine Aufforderung zum
ökumenischen Engagement.
Als Voraussetzung für die Heilung bezeichnete
Kässmann, dass zuerst der eigene Kontext, die Welt mit offenen
Augen, mit den Augen der Liebe Gottes gesehen werde. Es schockiere
sie, was in Jugoslawien geschah und in Nordirland noch immer
geschehe. Zwar hätten die Menschen in Mitteleuropa genug zu essen,
es gebe Schulen für die Kinder, ärztliche Versorgung für alle, die
krank würden, aber es gebe auch viele Menschen, die innerlich leer
gebrannt seien. Das Leben bestehe bei den Erfolgreichen oft aus dem
Versuch, möglichst mit allen mitzuhalten. Auch wenn Europa grosse
Reichtümer besitze, gebe es doch vieles, was zerbrochen und
heilungsbedürftig sei. ChristInnen könnten in diesem Kontext Gottes
heilendes Wort weitergeben, sie könnten die Welt ansehen, wie sie
ist und müssten nicht vor der Realität weglaufen oder die Augen
verschliessen.
Kässmann betonte, wer vom Heilen sprechen wolle,
müsse zuerst die Wunden anschauen, das tue jeder gute Arzt. Hierzu
gehörten die kleinen Wunden, wie die spürbare Herabsetzung, das böse
Wort oder das missbrauchte Vertrauen ebenso wie die „entsetzlich
grossen Verletzungen“ - die Kriege, in denen Menschen von Bomben
zerfetzt würden, Flüchtlinge, die hin- und hergetrieben würden, die
Schuldenkrise, die so vielen Ländern in Afrika, Asien, Lateinamerika
keine Entwicklungschance gebe, Kindersoldaten, die brutal zum
Waffengebrauch gezwungen würden, und der Hunger, dem täglich
Tausende zum Opfer fielen. Das Entsetzen könne nicht einmal in Worte
gefasst werden.
Ihr sei es dabei wichtig zu verstehen, erklärte
Kässmann, dass Gott selbst verwundet sei „durch die Zerstörung, die
Menschen anrichten, durch das, was wir einander antun“. Die
Geschichte von Jesus Christus fordere dazu heraus, „die Allmacht und
die Ohnmacht Gottes zusammen zu denken“. Es gehe um die
Auseinandersetzung mit der Frage der Allmacht Gottes und nach dem
Zulassen des Leidens, nicht darum, exakte oder logische Antworten zu
finden. Sie rief dazu auf, den Mut zu haben, sich Gott
anzuvertrauen, im Wissen darum, dass Gott Leben wolle und nicht Tod.
ChristInnen müssten die Gebrochenheit des Lebens aushalten und die
Kreuzeserfahrung als Teil des Lebens annehmen.
Mit Blick auf die HIV/AIDS-Pandemie erklärte
Kässmann, dass eine HIV-Infektion vor allem in den reichen
Industrienationen kein automatisches Todesurteil mehr bedeute, wenn
die richtigen Medikamente verabreicht würden. Das Problem sei eher,
dass es eine Zwei-Klassen-Medizin gebe, dass diese Medikamente so
teuer seien und die Menschen in Südafrika oder Kenia sie sich nicht
leisten könnten. Der medizinische Fortschritt ermögliche die Heilung
von Krebserkrankungen oder auch die Eindämmung des SARS-Virus, aber
er erzeuge auch ein Machbarkeitsgefühl gegenüber der Gesundheit nach
dem Motto: „Das muss doch zu reparieren sein!“ Oft verstehe sich der
Mensch nicht mehr nach Gottes Bild geschaffen, sondern wolle den
Menschen schaffen nach dem eigenen Bild, kritisierte die
Landesbischöfin. In diesem Zusammenhang rief sie die Kirchen auf,
den Auftrag zur Heilung neu als Teil des Missionsauftrages zu
verstehen und nicht nur als sozusagen sekundären diakonischen
Liebesdienst.
Wenn Jesus geheilt habe, dann habe er zwei Dinge
getan, so Kässmann: „Er redete und er berührte, Gottes Wort wurde
hörbar und erfahrbar. Wenn Jesus heilte, dann sah er auf den
Glauben, auf das Gottvertrauen.“ Heilen in Jesu Namen weise nicht
auf den Heilenden hin, sondern auf Gottes liebende Zuwendung zum
ganzen Menschen. Gesundheit sei nicht ein Beweis für Gottes
Gegenwart und werde missbraucht, wo Menschen meinten, sich selbst
erheben zu können als besonders begnadet. Ein Mensch könne sein
Gottvertrauen dadurch zeigen, dass er mit einer Krankheit leben
lerne, dies sei ein Geschenk Gottes, eine Gnade.
Heilen sei ein ganzheitlicher Prozess, bei dem
weder die Errungenschaften der Medizin, noch die Seele, noch die
Gabe des Geistes Gottes verachtet werden sollten. Vielleicht könnten
gerade die Kirchen dazu beitragen, so Kässmann, „die
unterschiedlichen Charismen nicht gegeneinander auszuspielen,
sondern komplementär zu sehen, so dass sie voneinander lernen.“ Wer
heilen wolle, müsse offen sein für Körper und Seele, für alte und
neue Erkenntnisse, für unterschiedliche Erfahrungen von Gottes
Wirken, für ganzheitliche Wahrnehmung. (1.147 Wörter)
Die Zehnte
LWB-Vollversammlung vom 21. bis 31. Juli 2003 im kanadischen
Winnipeg steht unter dem Thema: „Zur Heilung der Welt“. Gastgeberin
der Vollversammlung ist die Evangelisch-Lutherische Kirche in Kanada
(ELKIK).
An der Zehnten Vollversammlung nehmen rund 820 Personen teil,
darunter
380 Delegierte der 133 LWB-Mitgliedskirchen sowie VertreterInnen der
drei assoziierten Mitgliedskirchen. Die in der
Regel alle sechs Jahre stattfindende LWB-Vollversammlung ist das
oberste Entscheidungsorgan des LWB. Zwischen den Vollversammlungen
führen der Rat und sein Exekutivkomitee die Geschäfte des LWB.
Zur Bestellung von Fotos zur LWB-Vollversammlung wenden Sie sich
bitte an:
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